"Du musst Nein-Sagen lernen!" Marloes Göke im Interview [039]

Als Marloes Göke und ich miteinander sprechen, sitzt sie gerade im NINO in Nordhorn, einem Business-Center, das früher mal eine Textilfabrik war. Marloes – der Name kommt aus dem Niederländischen und wird "Ma-Luz" gesprochen – berät Unternehmer*innen, wie sie sich, ihre Arbeit und ihr Unternehmen besser strukturieren, um mit Kraft weiter arbeiten zu können. 


Ute Blindert: Bist du ein Mensch, der eine Morgenroutine hat?

Marloes Göke: Ja, selbstverständlich. Die habe ich schon seit vielen Jahren. Ich starte ganz langsam in den Tag, bleibe erst mal im Bett liegen und mache mentale Einstimmung. In erster Linie nutze ich mentales Training dafür und mache eine Visualisierung.

Den Menschen, die zu mir kommen, fehlt diese Klarheit für den Tag. Sie haben den Eindruck, dass sie sich mit viel zu vielen Dingen beschäftigen und diese erledigen müssen, ohne irgendwie auch nur annähernd genügend Zeit dafür zu haben. Also wie das Gefühl, im Hamsterrad zu stecken. 

In meiner Arbeit unterstütze ich eine Kunden dabei, das Hamsterrad Stück für Stück zu verlassen: Es erst mal anzuhalten und von außen zu betrachten. Wir beschäftigen uns dann mit der Frage: Wie kann ich mich und auch mein Unternehmen am effizientesten strukturieren und organisieren? Wie kann ich dafür sorgen, dass ich weniger Druck und Stress habe? Ein dritter Themenbereich befasst sich auch damit: Wie kann ich dafür sorgen, dass mein Team eigenständiger und eigenverantwortlicher arbeitet?

Ute Blindert: Wie bist du dahin gekommen? Was hat dich zu dem gebracht, was du heute machst?

Marloes Göke: Das war ein langer Weg mit vielen Abbiegungen. Ausgangspunkt war ein Zahnarztbesuch mit 10 Jahren. Mein Zahnarzt sagte: "Marloes, deine Zähne hast du fleißig geputzt, aber dein Gebiss, das sieht so aus wie das einer 80-Jährigen." Da war ich erst mal geschockt. Am Ende stellte sich heraus, dass ich nachts mit den Zähnen knirschte.

Er empfahl mir, mich mit Entspannung zu befassen. Ich bin zur Volkshochschule gegangen und ein „Autogenes Training“ besucht. Als ich in den Raum kam, waren da lauter uralte Menschen – wahrscheinlich waren sie so alt wie ich heute (lacht). Ich habe trotzdem mitgemacht und später auch immer weitergemacht. Der Hintergrund war, dass Schule und ich einfach nicht zusammen passten. Meinen Frust von der Schule habe ich quasi nachts abgearbeitet und so meinen Kiefer belastet. 

Während des Studiums begann ich dann, mich mit westlichen und östlichen Entspannungstechniken zu beschäftigen. Irgendwann begann ich auch, das zu unterrichten. 

Da ich aber ja BWL studiert hatte, arbeitete ich erst einmal in deiner Marketing-Agentur. Als ich in einem stressigen internationalen Projekt steckte, kam das Thema Stressbewältigung wieder hoch. Nach weiteren Fortbildungen machte ich mich dann nebenberuflich selbständig. 

Es wurde immer intensiver, sodass ich irgendwann diese Entscheidung treffen musste: Was mache ich jetzt? Bleibe ich in der Agentur oder folge ich meiner Selbstständigkeit und meiner Leidenschaft? Am Ende bin ich dann in meine Heimat Nordhorn zurückgekehrt und sogar noch ein Studium zu Prävention und Gesundheitspsychologie aufgenommen. 

Ute Blindert: Als Gesundheitsberaterin verstehst du dich aber nicht? 

Marloes Göke: Nein. Mein Hintergrund ist ein betriebswirtschaftlicher. Ich habe lange in der Beratung gearbeitet und deswegen auch ein gutes Verständnis fürs Unternehmertum. So bringe ich diese beiden Bereiche zusammen. Beratung zu: Wie strukturiere ich mich? Wie sorge ich dafür, dass ich Höchstleistung und Wohlbefinden zusammenbringe, dass ich meinen Job und meine Unternehmungen mit Leidenschaft auch umsetzen kann? 

Viele starten mit ganz, ganz viel Leidenschaft und irgendwann holt sie so der Unternehmeralltag mit den ganzen anderen Aufgaben ein, dann geht die Leidenschaft zurück, Unzufriedenheit kommt auf, der Arbeitsdruck nimmt zu, die Arbeit wird immer mehr statt weniger. Das ist dann der Punkt, an dem sie bei mir landen.

Ute Blindert: Hast du mal ein Beispiel: Wer ist dein typischer Kunde? Wie arbeitest du mit ihm? 

Marloes Göke: Es ist eigentlich völlig unabhängig von der Branche, weil es geht ja darum, wie ich mein Unternehmen strukturiere und wie ich mich selbst organisiere. Mir fällt eine Kundin mit einem Friseurgeschäft ein, die das Luxusproblem hatte, dass sie viele Kundinnen hatte. Irgendwie lief es wirtschaftlich super, aber sie fühlte sich völlig erschöpft und hatte das Gefühl, an allen Fronten gleichzeitig zu arbeiten. Mit jeder Frage, mit jedem Problem kam ihr Team, das aus 15 Personen bestand, zu ihr. 

Eine Aufgabe war erst einmal, für ausreichend Pausen zu sorgen – eine große Herausforderung, denn wir denken, wir müssten immer ganz viel arbeiten. 

"Ohne Fleiß kein Preis!, ist so ein Glaubenssatz, den wir mit uns herumtragen.

Zu Beginn der Selbständigkeit ist das vielleicht richtig, aber irgendwann funktioniert es einfach nicht mehr. Und das weiß im Grunde jeder Sportler: Wenn ich nur trainiere, gibt’s irgendwann Ermüdungsbrüche und dann geht gar nichts mehr. Und so geht’s uns auch mit unserem Organismus. Wir wollen das nur nicht wahrhaben. 

Es gibt eine ganz tolle Studie, die sogar zeigt: Wenn wir mehr als 50 Wochenstunden arbeiten, geht unsere Leistungsfähigkeit runter – ab 50 Stunden arbeiten wir quasi rückwärts. 

Wie können wir mehr Regeneration in den Alltag reinbringen, ohne dass es unbedingt auch Zeitverlust bedeutet? Ich kann auch Pausen machen, die sowieso in meinem Alltag stattfinden. Wenn ich zum Drucker laufe, kann ich schon diesen kleinen Weg zur Entspannung nutzen. Dann sage ich mir: Okay! Ich konzentriere mich jetzt einfach mal auf nichts und fahre mal ganz kurz runter. 

Dann haben wir uns angeschaut, wie sie mit ihrem Team umgeht. Sie war wertschätzend, aber es fiel ihr schwer, Nein zu sagen und Dinge abzugeben. Also haben wir uns das angeschaut und nach und nach geändert. Zum Schluss haben wir dann noch ein paar organisatorische Sachen geändert. 

Ute Blindert: Für uns Unternehmer*innen ist es ja besonders wichtig, sich Freiräume zur Weiterentwicklung zu schaffen. "Deep Work" von Cal Newport ist ja so ein Ansatz ...

Marloes Göke: Genau, das spielt eine große Rolle. Sich wirklich freie Blöcke zu schaffen, in denen konzentriert gearbeitet wird, ist ein Erfolgsfaktor aus meiner Sicht.

Ute Blindert: Was sind deine Top-3-Tipps, die du Unternehmer*innen mitgeben möchtest?

Marloes Göke: Freiräume schaffen für Pausen und Regeneration, also wirklich runterkommen. Man sagt ja so schön, work hard and play hard. Nur, wenn ich auch mich regeneriere, kann ich auch volle Leistung bringen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. 

Der zweite ist, eine gute Struktur zu finden. Dass wir strategischen Themen, die so wichtig sind, regelmäßig in unseren Alltag integrieren. Das heißt also, Neinsagen lernen ist ein wichtiger Faktor. Wenn wir an strategischen Themen arbeiten, sollten auch mal Kunden hinten anstehen und wir bei unserem Fokus bleiben. 

Hier hilft es, sich Arbeitsblöcke zu schaffen, in denen operativ gearbeitet wird, und eben auch solche, in denen ich strategisch arbeite, wo ich denken und mich auch einfach mal zurücklehnen muss und die Dinge auf mich zukommen lassen kann und kreativ werde. 

Wenn ich Konzepte entwickle, kann ich das nicht unter Zeitdruck. Mich insgesamt besser zu fokussieren, egal was ich mache. Dass ich mich nicht ständig von meinen ganzen technischen Hilfsmitteln ablenken lasse, und hier bimmelt es und da kommt irgendwas rein und ich gucke dann doch mal schnell in die E-Mails. 

Vergesst Multitasking! Was anderes kann man dazu gar nicht sagen. Es kostet dich mehr Zeit. Alleine, wenn wir zwei Themen parallel bearbeite, also irgendein Konzept, und dann gucke ich mal in die E-Mails oder jemand ruft an, kostet mich 40 Prozent mehr Zeit. 

Marloes Göke: Und in der Regel sind es nicht nur zwei Themen, die wir parallel bearbeiten, sondern eher so drei bis fünf vielleicht.

Ute Blindert: Und Corona führt uns immer noch vor ganz neue Herausforderungen... 

Marloes Göke: Unbedingt! Im Frühjahr war das ein Thema, aber jetzt zum Winter berichteten mir Kunden von Müdigkeit, von einem Motivationsloch. 

Das liegt an unserer aktuellen Situation. Es dauert schon ein Jahr, und wir können nicht genau abschätzen, wie lange es noch dauern wird. 

Unser Gehirn hasst Unsicherheit. Es reagiert im Unterbewusstsein, das merken wir am Schlaf, am angespannten Nervenkostüm. Unser Stress ist fast schon chronischer Stress und der kostet Unmengen an Energie. Diese Unsicherheit zehrt an unseren Energiereserven, und das merken wir. 

Aus dem Bereich Resilienz gibt es einen wichtigen Bereich, den wir üben können: Akzeptanz. Dinge anzunehmen, so wie sie sind, auch wenn wir sie nicht mögen. Aber wenn wir sie nicht verändern können, arbeiten wir uns sonst an diesen Dingen zu sehr ab. Und das zieht Energie und die geht nirgendwo hin. Wir können mit dieser Energie ja nichts machen. 

Das heißt, je mehr wir unsere Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken, desto mehr Energie zieht es. Und man sagt so schön, die Energie fließt dahin, wo wir unsere Aufmerksamkeit hinlenken, und da ist wirklich was ganz Wichtiges dran. 

Daher mein Tipp: Lenke die Energie auf die Dinge, die uns Spaß machen, die uns Kraft geben, in denen wir wirksam sein können. Das ist ein Übungsprozess.

Ute Blindert: Lass mich da einhaken. Ich kann vieles in meinem Business digitalisieren, aber deine Friseurmeisterin, die hat einen Laden mit 15 Leuten auf der Payroll, Miete zu bezahlen, Lieferanten. Was sagst du ihr? 

Marloes Göke: Ich habe kein Geheimrezept. Das ist wirklich eine Situation, die uns vor riesengroße Herausforderungen stellt. Und gerade die Existenzängste sind unglaublich belastend. 

Da kann man jetzt nicht sagen, da schnippe ich mal mit einem Finger oder meditiere ein bisschen und dann geht’s mir wieder gut. Das fände ich unrealistisch. 

Aber diese Dinge zu tun, so ein bisschen sich darauf zu besinnen, das ist jetzt die Realität und ich muss sie akzeptieren, also sie erst mal anzunehmen. Das ist eine riesengroße Herausforderung, gerade, wenn da gerade alles zusammenbricht. Trotzdem ist es wichtig, auch etwas Gutes für sich zu tun, also gut für sich zu sorgen. Und Austausch, also das finde ich das Allerwichtigste, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, andere Unternehmensinhaber, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. 

Mein Top-Tipp! Glaube daran, dass du größer bist als das, was gerade passiert.

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