Wie netzwerken Autisten? [Episode 004]

Wie netzwerken Autisten? [Episode 004]

Eine Frage, die mich schon länger umtrieb: "Wie netzwerken Autisten?", ausgelöst durch den Kommentar einer Leserin. Es ist wichtig zu wissen, dass sich diese Frage so pauschal nicht beantworten lässt. Denn allein, wer sich nur einen erste Überblick über Autismus im Wikipedia-Artikel verschafft, stellt schnell fest, dass es den Autismus nicht gibt, also auch nicht die Autistin oder den Autisten. Stattdessen spricht man heute von einer Autismus-Spektrum-Störung, unter die verschiedene Formen fallen. Dazu gehören u.a. verschiedene Syndrome wie das Kanner-Syndrom oder das Asperger-Syndrom. Wichtig zu wissen ist auch, dass es Übergänge zwischen milden und starken Autismusformen gibt. 

Barbara Lampl ist Autistin und Unternehmerin mit empathic business by Barbara Lampl aus Köln. Im Interview erklärt sie, wie sich Autisten oder besser: Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung das Netzwerken erschließen können - ihre Tipps können übrigens auch vielen anderen Menschen beim Netzwerken helfen, denen das Zugehen auf andere ebenfalls schwer fällt. 

Hier geht es zur Podcast-Episode:

Ursprünglich wurde das Interview als Video aufgenommen, was Sie sich hier anschauen können: 

Viel Spaß beim Interview! (Aufgenommen bei der women&work in Bonn, 17.6.2017)


Wer möchte, kann das Interview zum Thema "Netzwerken mit Autismus" auch hier nachlesen: 

Ute Blindert: Hallo, hier ist Ute Blindert von „Karrierebooster Netzwerke(n)“ von der Women & Work und wie das so schön ist beim Netzwerken und auf so Veranstaltungen, man trifft meistens Leute, die man sowieso kennt und mit denen man dann schnell ins Gespräch kommt. Heute ist jetzt hier bei mir die Barbara Lampl. Man kann mit ihr lampeln.

Barbara Lampl: Ja, man kann mit mir lampeln, das stimmt.

Ute Blindert: Wenn ihr wissen wollt, was eigentlich "lampeln" ist, dann könnt ihr bei Barbara (Barbara: Richtig) bei Empathic Business …

Barbara Lampl: Empathic Business, ja genau...

Ute Blindert: ...erfahren, was denn "lampeln" sein könnte.

Barbara Lampl: Genau.


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Ute Blindert: Heute habe ich Barbara unter einem ganz bestimmten Grund hier zum Gespräch gebeten: Ich habe ein Thema, was bei mir vor einiger Zeit aufgepoppt ist und zwar geht es um das Thema, ja natürlich Netzwerken, aber ich hatte jemand, die als Reaktion auf einen Artikel, die gefragt hat „Wie machen das eigentlich Menschen, die autistisch sind?“ Also die sich zum Beispiel im Autismus-Spektrum, zum Beispiel als Asperger-Autistin, befinden - wie können diese netzwerken? Barbara, du hast mir erzählt, dass du da einfach ein paar Strategien entwickelt hast. Magst du dazu etwas sagen?

Netzwerken mit Autismus ist schwieriger!

Barbara Lampl: Es ist als Autist definitiv immer ein bisschen schwieriger mit dem Netzwerken. Das sind nämlich ganz viele menschliche Interaktionen, was einfach - selbst wenn man über die Jahre trainiert - einfach immer auch schwieriger ist zu lesen. 

Wir haben ja alle so ein bisschen Defizite an der Stelle unterschiedlichster Natur. Meine Strategien als Autistin sind recht vielfältig. Auf fremde Menschen zuzugehen, setzt selbst mich, die ich recht extrovertiert bin, massiv unter Stress. Also versuche ich, bei Netzwerkveranstaltungen sehr früh zu kommen, im den Raum zu lesen. Ich gucke, "Hey, wo fühle ich mich eigentlich ganz wohl, wo setze ich mich hin oder wo stelle ich mich hin? 

Meine beliebteste Netzwerk-Strategie ist die Flasche Wasser oder das Kölsch-Fass!

Eine meiner beliebtesten Netzwerk-Strategien ist die Flasche Wasser oder in Köln das Kölsch-Fass zu organisieren. Man sucht sich also eine Flasche Wasser, fünf Gläser und einen schicken Tisch und die Stühle dazu, so dass sich alle dazu setzen können. Dann stellen die sich einem selbst vor, trinken mit einem ein Glas Wasser, das Glas Wein oder Kölsch. Ich muss damit nicht auf die anderen zugehen, sondern die kommen auf mich zu, was mir viel von dem Anfangsstress nimmt. 

Wenn ich dann mit einem Menschen im Gespräch bin, dann wird es leichter. Aber besonders dieser Erstkontakt bei fremden Menschen ist etwas, das mir eben sehr schwer fällt und das macht’s dann eben zum Beispiel schon ein bisschen leichter. 

Oder auch solche Strategien wie, dass man wirklich überlegt: Smalltalk ist, es gibt, glaube ich, wenig Menschen, die Smalltalk toll finden, aber autistisch heißt eben immer, es ist schon nochmal den Tacken mehr anstrengend, und ich habe jetzt auch nicht unbedingt die Wahlmöglichkeit, ob ich das jetzt unanstrengend oder anstrengend finden will. 

Small-talk ist doch für die meisten anstrengend. Ich überlasse meinem Gegenüber das Gespräch!

Das heißt, man bereitet sich da einfach besser drauf vor: Was sind Themen, die man ansprechen kann? Oder ich gebe meinem Gegenüber gern die Gesprächsführung und lasse die erzählen. Das fällt mir einfach leichter an der Stelle. Wenn ich jemand frage: Hey, und was machst du so oder was kann ich für dich tun? Das ist immer eine ganz klassische Entry-Frage von meiner Seite, und dann fangen die Leute ganz begeistert an: Wie? Du möchtest wissen, wie du mir helfen kannst? Ja klar, erzähl doch mal. Und dann kommt man ganz entspannt ins Gespräch und nicht so über dieses Selber-vorstellen, Selber-präsentieren, was man macht. Das ist einfach immer anstrengender mit unbekannten Menschen, insbesondere in so einem Eins-zu-Eins-Kontakt. Das sind so ein paar Möglichkeiten, die es ein bisschen vereinfachen.

Ute Blindert: Mhm (bejahend). Und war das was, was du von Anfang konntest oder hast du das so über die Zeit entwickelt?

Zum Glück wurde ich in die Theater-AG gesteckt!

Barbara Lampl: Ich konnte das nicht von Anfang an! Ich hatte Glück, dass ich zur Schulzeit in die Theater AG gesteckt worden bin, das hat geholfen. Ich habe gelernt, andere (soziale) Rollen anzunehmen. Du kannst mich auf Riesenbühnen stellen, 1.500 Leute, da fühle ich mich oben super wohl und dann bin ich sehr froh, wenn die nachher auf mich zukommen. Aber dieses direkte Zugehen auf Menschen, das musste ich lernen. Auch heute habe ich da noch Stress mit. Und ich bin sicherlich ein hochtrainierter Autist und sonst irgendwas, aber es ist anstrengend. 

Diese menschliche Interaktion ist anstrengend, und auch wenn ich viel Netzwerken gehe, muss ich sehr genau einschätzen, wo liegt das auf meinem Energielevel? Also informiere mich meistens sehr genau, wo ich mich hinbewege, wer so da ist. Ich gehe auch schon mal früher, wenn ich merke, das wird mir jetzt zu viel. Das sind die Sachen, auf die ich einfach achte. 

Ich habe das ganz gnadenlos gelernt und trainiert. Das ist auch eine Trainingsfrage. Was es nicht immer unbedingt leicht macht, weil diese Trainingsfelder auch schwer sein können.

Ute Blindert: Du gehst also ganz allmählich vor...

Barbara Lampl: Ich würde als allererstes damit anfangen, mit der Ablehnung, die man beim Netzwerken wahrnimmt, klarzukommen. Wir Autisten brennen ja oft für unser Fachgebiet, was ja sehr speziell sein kann, das löst nicht immer die größten Begeisterungsstürme aus. Diese Ablehnung nicht persönlich zu nehmen, das muss man lernen. 

  • Schritt 1: Frühzeitig zu lernen - Wenn jetzt jemand mein Thema nicht so spannend findet, dann liegt das nicht an mir, sondern einfach daran, dass nicht jeder dieses Thema gleich spannend findet. 
  • Schritt 2: Dann auf jeden Fall daheim, mit Freunden oder sonst irgendwie zu trainieren. Vielleicht wissen es nicht alle, es gibt eine relativ bekannte Autistin, Vera Birkenbihl ist nämlich eine Asberger-Autistin. Die wenigsten wissen das, wobei sie da recht offen mit umgegangen ist. Sie hat das trainiert. Selbst ihre Vorträge hat sie immer per Telefon mit Freunden durchgesprochen. Sie hat sich gar nicht eins zu eins mit den Menschen besprochen, sondern es gab eine Telefonliste von Freunden, die sie angerufen hat, mit denen sie das vorher trainiert hat. 
  • Schritt 3: Das ist ein ganz klassischer Punkt. Nehmt die Sachen, bei denen ihr euch bereits wohlfühlt. Geht in eine Umgebung, in der man sicher fühlt. Also einfach in die Umgebung, wo ich denke: “Hey, ich fühle mich da sicher."
  • Schritt 4: Und den Tipp, den ich auch wirklich selber gemacht habe, eben frühzeitig da zu sein. Das hat mir den Ruf eingehandelt, ich sei so mega überpünktlich. Naja, jedem so seine Schlussfolgerung.

Ute Blindert: Ist ja nicht das Schlechteste, was einem passieren kann...

Schau, wie weit du selbst gehen kannst und willst!

Barbara Lampl: Im deutschsprachigen Raum ist das ein Träumchen. Man kommt an, alle kommen rein und so klassisch: Wenn man am Anfang der Party da ist, kommen alle rein und begrüßen einen. Das funktioniert ganz gut. 

Und als Zusatztipp: Welcher dieser Schritte beim Netzwerk ist eigentlich der, der mir leichtfällt, und der, der mir schwer fällt? Und da einfach mal mit den leichten Momenten anzufangen, um sich da ein bisschen zu verbessern und dann so nach und nach an die Momente zu gehen, die ein bisschen schwieriger sind. 

Also wirklich einfach mal zu durchdenken, wie viele Schritte hat so dieser Netzwerk-Prozess? Was kann ich schon gut? Was fällt mir leicht? Und wo habe ich vielleicht noch Defizite? Oder einfach Teams zu bilden. Der guten Freundin, dem guten Freund zu sagen: "Hey, komm, gemeinsam ist man stärker, dann lass uns das zusammen machen." Man kann sich auch an jemanden dran hängen, der schon vielleicht ein paar gute Netzwerkkontakte hat und darüber so ein bisschen eingeführt wird. Dann wird es auch leichter. Das hilft definitiv!

Ute Blindert: Du gehst ja sehr offen damit um, dass du Autistin bist. Es ist ja sogar ein Teil deines Businesses - Empathic Business -, dass du empathische Autistin bist. 

Barbara Lampl: Lange gab es den Mythos, dass Autisten keine Empathie haben. Dabei ist es so, dass wir ja überempathisch sind. Wir nehmen wir ja zu viel wahr. So ist auf jeden Fall der Firmenname entstanden: Empathic Business. Empathie wir Autisten abgesprochen, also habe ich mit diesem Wort gespielt. Empathie ist eines der wichtigsten Mittel, die ich im Job einsetze.

Ute Blindert: Würdest du denn empfehlen, mit dem autistischen Spektrum offen umzugehen? Oder war es für dich ein wichtiger Schritt, das nach außen zu tragen und damit zu arbeiten?  

Barbara Lampl: Ich bin ja extrem spät diagnostiziert worden, also auch erst nach meinem Dreißigsten. Ich sage, gut so, aber ich habe gelernt, dass es vielen leichter fällt, wenn sie wissen, okay, die ist nicht arrogant, die ist nicht komisch, sondern Asberger-Autistin. Es kann mal ein bisschen komisch wirken, was ich so tue. Früher hatte ich noch ein sehr überformelles Sprachmuster. Da meinen die Leute immer so ein bisschen: „Die ist aber …“, das wirkt schnell arrogant, dabei war es halt einfach nur mein Sprachmuster, da war gar keine Arroganz drin. 

Oder eine bestimmte Herzlichkeit kommt bei mir erst rüber, wenn man mich ein bisschen länger kennt und vielleicht nicht gleich am Anfang. Mir ist nicht unbedingt etwas Negatives entgegengekommen. Stattdessen kriege ich skurrile Komplimente mit „Man sieht dir deinen Autismus gar nicht an…“. 

Ich habe den Stempel weggeschminkt, aber eigentlich bin ich immer so. Es hilft den anderen sehr viel krasser und einfach zu verstehen: "Ah okay, die ist anders!", und damit tut sich die andere Seite manchmal leichter, darauf einzugehen. 

Aber es erfordert natürlich Mut. Also, ich würde mir jetzt nicht unbedingt mir das Schild umhängen, wenn ich da selbst innerlich noch nicht gewesen wäre. Ich habe halt für mich dann irgendwann entschieden, okay, ich mache das öffentlich. Damit die Leute wissen, Da ist ein Vorbild, nach dem Motto: Hey, wir sitzen nicht alle wippend in der Ecke und kriegen unser Leben nicht auf die Kette. Wir haben Herausforderungen, aber dass man damit erfolgreich und glücklich und sonst irgendwas sein kann. 

Deswegen war für mich auch die Entscheidung das publik zu machen auch so ein bisschen so in eine Vorbildrolle hineinzugehen und zu sagen: Ja, wenn man heute so selber vielleicht in der Position ist, okay, gibt’s überhaupt andere? Wie machen die das? Und da werde ich auf Google nicht viel finden, sondern dann einfach zu wissen, ah okay, die gibt’s da auch, und die kriegt das irgendwie auch auf die Kette, juhu! dann vielleicht ich auch. Also deswegen war das bei mir die Hauptentscheidung, das nochmal öffentlicher zu machen und dann findet man eben auf meinem Blog und sonst irgendwas auch Artikel dazu.

Ute Blindert: Also ich nehme jetzt von dir mit, das ganz auch öffentlich nach draußen zu gehen, ist immer eine Entscheidungssache. (Barbara: Ja) Dann ganz klar auch zu sagen, immer wieder zu überlegen, was ist das, was ich tatsächlich machen möchte, was ich auch bewältigen kann, und trotzdem zu sagen, okay, ich brauche vielleicht ein bisschen mehr Komfortzone, aber ich darf mir auch dann je nachdem, ob ich sage, ich will Babyschritte gehen oder ich will man ein bisschen größeren Schritt gehen, gibt’s auch die Möglichkeit dann die Komfortzone zu verlassen (Barbara: Definitiv).

Die kann auch ganz individuell sein und das finde ich jetzt und dann immer wieder auch zu gucken, so für sich abzugleichen, passt das oder passt das nicht (Barbara: Genau) mehr und eigene Strategien auch tatsächlich zu entwickeln, die einem so ein Wohlfühlen und einen kleinen Schritt wieder raus dann ermöglichen.

Barbara Lampl: Genau. Und das ist auf jeden Fall gut machbar. Also dann macht der eine Babyschritte, andere springen ins eiskalte Wasser. Muss jeder mit seinem Energielevel und seinen Grenzen ausloten, aber machbar ist es auf jeden Fall.

Ute Blindert: Ja, super. Also ich hoffe, dass ich jetzt diese Frage „Was mache ich denn, wenn ich Autistin bin, wie kann ich denn dann netzwerken?“, da so ein paar Tipps von Barbara bekommen habe. Vielen Dank, Barbara, dass das jetzt so spontan hier auf der Women & Work möglich war und euch alles Gute und denkt dran, wenn ihr ein Netzwerk braucht, dann muss es da sein, egal ob ihr Autist seid oder nicht.

Barbara Lampl: Definitiv.

Ute Blindert: Tschüss!

Barbara Lampl: Bis dann! Tschö!

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